Farbgeburten aus dem Hinterwald

 

Blasmusik und Tütenträger, riesen Bratzen, Waschmaschinen, Wildschweinrudel: Wie kommt man auf solche Ideen? „Ich komm auf gar keine Ideen“, sagt Axel Brandt, „die Ideen kommen auf mich.“ Z.B. die grillenden Griechen. Prometheus, die Amazone vor dem Heimgrill. Das Thema entstand während einer Reise: Griechenland. Brandt fällt auf: Alle Griechen grillen immer. Aber hallo Hellas, wo sind die hehren Gestalten der antiken Mythologie? Wie wäre es, wenn sie heute unter uns wären? Ganz klar, sagt Brandt, sie würden grillen, wie alle Griechen. Allerdings ohne dabei ihr dramatisches Schicksal zu vernachlässigen. Die Amazone grillte ihre abgeschnittene Brust, der Prometheus, seine Kuddel, bzw. das, was der Adler noch davon übrig gelassen hat.

Wer sich mit Axel Brandt über seine Kunst unterhält, merkt schnell: Seine Bilder sind keine konstruierten Kopf-Geburten. Sie entstehen aus zufälligen Impulsen, aus überraschenden Vorfällen, erfreulichen Zufällen, verschrobenen Einfällen, kurz: direkt aus dem Leben eines Zeitgenossen mit scharfem Sinn für das Sonderliche

Impulsivität prägt auch den Duktus seiner Malerei.

Axel Brandt arbeitet figurativ, gegenständlich, mit starken Motiven, doch seine Werke leben aus der Malerei, einer farbintensiven, expressiven, teilweise sogar informellen Malerei. Die Farben dienen nie nur dem Kolorit sondern sind immer auch Material, mit manchmal geradezu skulpturalem Charakter.

Neue Figuration, neue expressive Gegenständlichkeit? Passt alles nicht. Versuche, Brandts Werk kunstwissenschaftlich zu domestizieren scheitern: seine Kunst ist ähnlich widerspenstig, wie die seines Lehrers an der Düsseldorfer Kunstakademie Dieter Krieg. Auch Kriegs Bilder sind gegenständlich und auch sie überwältigen den Betrachter mit ihrer Farbgewalt. Gleichzeitig ist Kriegs Werk vor dem Hintergrund eines vielschichtigen konzeptuellen Ansatzes zu lesen, der sich aus Literatur, aus Sprache und der permanenten Infragestellung vermeintlicher Gewissheiten entwickelt.

Die Gegenstände auf seinen Bildern sind von großer Schlichtheit, er selbst spricht von Dürftigkeit. Eine Bank, ein Rohr, eine Hose etc. Aber trotz ihrer Einfachheit sind die Gegenstände nie banal, im Gegenteil, sie wirken immer bedeutungsvoll, auch wenn ihre Bedeutung nie klar ist. Überall spürt man eine rätselhafte feine Ironie. Undurchdringlich. Zurück bleibt ein Betrachter, der von der Form überwältigt, vom Inhalt verwirrt, dem Werk total ausgeliefert ist.

 

Diese Kombination aus malerischer Intensität und komplexer Gegenständlichkeit sehe ich auch im Werk Axel Brandts. Auch seine Kunst gibt kein eindeutiges Bild ab, auch wenn ihre Themen auf den ersten Blick zugänglich sind: Wildschweine, grillende Nackte, Blasmusikanten.

 

Um in Brandts Werk einzusteigen reicht es jedoch nicht, sich an der Oberfläche der Thematik der Bilder zu bewegen und noch weniger, sie irgendwie deuten zu wollen. Sie sind weder vordergründig komisch, noch hintergründig kulturkritisch, noch abgründig tiefsinnig. Zunächst geht es hier um Malerei in einem, wie ich finde, geradezu barocken Sinne. Soll heißen: Axel Brandts Bilder sind keine thematischen Vorführungen, sie sind eher malerische Verführungen. Es geht nicht darum, dass der Betrachter das Werk versteht, sondern dass er dem Bild, der Malerei verfällt, kurz: dass die Kunst mit ihm durchgeht.

 

Nehmen wir z.B. seine Blasmusikbilder. Zugegeben. Sie haben etwas Karikaturhaftes. Es sind aber keineswegs ironische Verballhornungen der Lebenswelt von Festzeltmusikern. Im Gegenteil: die Bilder bejahen und feiern den bayerisch-barocken Sinnentaumel, ziehen den Betrachter mit ihrer kraftvollen, ausgelassenen Malerei mitten hinein ins Getümmel. Blasmusik, Biertrinken und Lederhose, das Messing leuchtet in der Sommersonne. Hier spielt das echte Leben, bei Axel Brandt zuhause in seiner bayerisch-schwäbischen Heimat. Von hier kommt die Kraft seiner Bilder, aus dem Hinterwald, wo die Hinterwäldler noch richtig feiern.

Aus diesem Hinterwald kommen aber auch Axel Brandts düstere Wildschweine hervorgekrochen. In sternklarer Nacht laufen sie über die schneebedeckte Landschaft. Im Hintergrund glitzern die Berge. Ein nächtliches aber ein unheimliches Idyll, denn die Schweine kommen schnell in Fahrt stürmen aus der Nacht auf den Betrachter zu, zerschnauben in Farben und Schlieren. Dann preschen sie wieder davon, zurück in ihre Hinterwälder, den Bergen entgegen.

Brandt arbeitet ohne Vorlagen, ohne Fotos oder Skizzen.

Seine Bildwesen entstehen in der Malerei, direkt aus der Farbe. Der Künstler setzt die Farbe so ein, dass sie ein selbständiges Leben entwickelt, und die Wesen auf den Bildern dann aus sich selbst hervorbringt. Farbgeburten sozusagen.

Aber bei allem Eigenleben der Farbe ist offensichtlich, dass die Malerei vom Künstler genau durchdacht und technisch aufwendig angelegt ist. Brandt kombiniert unterschiedliche Maltechniken, legt etwa dickerdige Farbe auf durchscheinend lasierende Untergründe, setzt Schatten und Aufhellungen mit der Sprühdose oder zeichnet mit der Farbtube direkt auf die Leinwand.

Er wisse wohl, was er tue, wenn er malt, sagt Axel Brandt, aber ein genaues Konzept habe er nicht. Er sei eben weder ein konzeptueller Künstler noch ein Handwerker mit Präzisionsanspruch.

In der Tat: Nichts in seinen Bildern ist durchgestyled, jeder Strich geht Hand in Hand mit dem Zufall, ist lebendig und unverbindlich. Handwerkliche Akkuratesse interessiert ihn offenbar nicht.

Als wir uns über das Malen unterhielten, sprach Brandt immer wieder von Dilettantismus, von Unvermögen, ja sogar von Scheitern. „Wenn es glückt“, sagt er, „ist das OK“ aber was ihn vielmehr interessiert, sind die Fehler. „Die Fehler, die aber dann richtig sind“, wie er meint.

Und genau hier liegt der der Grund für die Kraft und ihre Lebendigkeit Axel Brandts Bilder. Im Unperfekten, in ihrer Kontingenz. Alles könnte so, aber auch anders sein. Axel Brandt verweigert sich der Perfektion, dem Glatten, Schönen, Fertigen. Seine Malerei ist im besten Sinne ungezwungen: wagemutig und frei, offen für Absurditäten und Zufälle, offen für malerische Experimente und Extravaganzen.

 

In einem Aufsatz von Eduard Beaucamp zu Dieter Krieg findet sich ein Satz, der für mich auch für das Werk von Axel Brandts Werk Gültigkeit hat:

„Das Widersprüchliche, Unvereinbare, Gleitende, Ungewisse und Paradoxe macht gerade die provozierende Lebendigkeit und den außergewöhnlichen Reichtum dieser Bilder aus. Seine weitgespannte Panoramen feiern die Apotheose der Malerei.“

 

Tobias Wall, Stuttgart