Axel Brandt

Zu Besuch in Gotha

 

Wohnwagen, Schiff, Blaskapellen und Musiker - Bilder mit hohem Wiedererkennungswert appellieren an die Erfahrungswelt der Betrachter und wirken dennoch unterschwellig auf seltsame Weise befremdlich.

Axel Brandt läßt die Oberfläche der Leinwand oder des Papiers zum Ort des Malereignisses werden, an dessen Beginn der ablesbare Gegenstand steht. In Variationen zu einem Thema verselbständigt der Farbauftrag, am Ende steht eine Form der reinen Malerei, die zugleich inhaltlich interpretierbar bleibt.

Wohnwagen, aufgebaut aus dominierender weißer Farbe, Reflex einer unbemalten Bildfläche, erhalten durch abtönende, changierende Akzentuierungen plastisches Aussehen. Wie stereometrische Körper ähneln sie Kugeln oder Zylindern mit Einschnitten und Durchblicken, und erst in Kombination mit kontrastierenden schwarzen Streifen und leuchtend roten Dreiecken präzisiert sich der Eindruck von der Wiedergabe eines Campingmobils.

Boote aus der Serie der Schiffsbilder, verschmelzen in farblicher Analogie mit dem Wasser und gewinnen durch skizzierend gesetzte Linien und Striche ihre Erkennbarkeit.

Die menschliche Figur erfährt die radikalste Loslösung von der naturalistischen Darstellung. Erscheinen die Musiker aus der Bildreihe der Blaskapelle entindividualisiert und typisiert, einige Camper und Schiffsführer bereits auf eine fleischfarbene, wurstartige Umrisslinie reduziert, so erinnert in anderen Bilder lediglich die explosionsartig verteilte Farbmaterie an die menschliche Existenz. Die reliefartige, durch Lichteinfall schattiert wirkende Struktur der Linien und Spritzer basiert auf einer Vermischung der Farbe mit Holzmehl. Form und Richtung entstehen durch den gelenkten Zufall als künstlerischem Mittel. Axel Brandt verwendet dafür eine von ihm selbst konstruierte, mit Luftdruck arbeitende Maschine.

Intuitiv präzis aufgetragene Linien und Farbfelder führen zu einer illusionistisch realen Wirkung der Bilder, die neben der formalen eine inhaltliche Betrachtung geradezu herausfordert.

Wohnmobile, Gefährte des modernen Nomadentums, entsprechend des ursprünglichen Sinn des Wortes "Heimat" als Bezeichnung für die Stelle, an der man sich niederlässt und sein Lager aufschlägt, werden zu Hieroglyphen geistiger Ausgrenzung Nichtdazugehöriger.

Schiffe, Heimstätten der Seeleute, mit der Option auf eine Robinsonade, präsentieren sich großformatig, Landnähe suggerierend in Breitseite oder Dreiviertelansicht. Aber das Ausblenden von Ufer oder Hafen und der fehlende Horizont lassen die vermeintlich sicheren Boote wie verloren auf der wirbelnd aufschäumenden Wasseroberfläche treiben.

Einer Vorstellung in Gedanken gleich, treibt eine Blaskapelle auf einer weißen Bühne, wie auf einer Eisscholle, in einer meergrünen Wiese. Bayerische Volksmusik als Heimatgefühle evozierende Exportartikel.

Heimat, der Ort, an dem man lebt, das Land, aus dem man stammt, mutiert zur mobilen Wohnstätte eines Campingwagens auf dem Land, eines Schiffes auf dem Wasser oder assoziativ durch die Darstellung einer Gruppe von Blechbläsern in Trachten heraufbeschworen.

Für die Fiktion einer von Menschen reproduzierten Wirklichkeit findet Axel Brandt in seinen Bildern eigenwillige, malerisch ironische Lösungen.

 

Thilo Tuchscherer August 2000